Haus am Park
Tübingen, Germany
- Architects
- SOMAA
- Location
- Werkstraße 6, 72074 Tübingen, Germany
- Year
- 2016
- Team
- Tobias Bochmann, Hadi Tandawardaja, Benedikt Bosch, Katja Knaus, Florian Hagmüller, Felix Krummlauf, Tina Pal, Eva Ruof, Lea Single
Wohnen für Alle
In bester Lage in Tübingen am Neckar erprobt das Wohnprojekt der privaten Baugruppe Wolle+ neue Strategien und Wohnkonzepte zur Integration von Menschen unterschiedlicher Lebens- und Einkommenssituationen, sozialer Milieus und kultureller Hintergründe. Inhaltlich maßgeblich mitentwickelt durch den Wohnsoziologen Dr. Gerd Kuhn wird Wolle+ als sozialorientiertes Wohnprojekt unmittelbar auf den Wohnbedarf und auf die sozialkommunikativen Anforderungen von geflüchteten Menschen reagieren, perspektivisch jedoch das adaptive Konzept Wohnen für Alle verfolgen.
Die Gesamtanlage besteht aus dem Haus am Park und dem vorgelagerten Brückenhaus. Das Haus am Park bildet mit zwölf unterschiedlichen Wohneinheiten den Wohnschwerpunkt, während das Brückenhaus mit einem offenen Nachbarschaftszentrum im Erdgeschoss auch die Anwohner mit einbezieht und damit einen Mehrwert fürs Quartier schafft, ergänzt durch eine Cluster-Wohngemeinschaft für Alleinerziehende im Obergeschoss. Die Vielfalt unterschiedlicher Nutzer und Akteure bildet sich auch im Planerteam ab: SOMAA und Yonder entwickeln gemeinsam das Haus am Park, für das Brückenhaus zeichnet Simon Maier aus Tübingen verantwortlich.
Das Haus am Park zielt von Beginn an auf eine maximale Durchmischung unterschiedlicher Wohntypen: Selbstnutzerwohnungen in der Penthouse-Etage, Wohnraum für Geflüchtete in den andere Etagen sowie Microwohneinheiten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Erdgeschoss, die von den Martin-Bonhoeffer-Häusern betreut werden, das ganze organisiert als Baugruppe unterschiedlicher Privatpersonen. Planmäßig gehen manche der Wohnungen, die zunächst von Geflüchteten genutzt werden, nach zehn Jahren in die Eigennutzung durch die Eigentümer über, andere bleiben darüber hinaus weitere fünf bis zehn Jahren in der Sozialbindung. Im Gegenzug gewährte die Stadt Tübingen beim Verkauf des städtischen Grundstücks Preise unterhalb der erhitzten Marktlage. Die ambitionierte Sozialagenda des Projekts insgesamt war dabei entscheidend für den Zuschlag an die Baugruppe Wolle+ im Vergabeverfahren, das wie üblich von der Stadt als Konzeptverfahren abgehalten wurde.
In der robusten architektonischen Grundstruktur sind die tragenden Elemente auf ein Minimum reduziert. Sie ermöglicht somit wandlungsfähigen Wohnungsgrundrissen und Wohnnutzungen eine Anpassung an sich verändernde Wohnbedarfe und schafft
damit langfristige Nachhaltigkeit. Eine Wohnung für Geflüchtete mit bis zu 6 Zimmern kann zu einem offenen durchgesteckten Loft werden, die Microappartements lassen sich zu einer Studenten-WG zusammenschalten.
Die Außenwand aus kerngedämmten Beton-Halbfertigteilen ist das primäre tragende Bauteil. Ihre elementare Stellung in der Tektonik des Gebäudes drückt sich durch das regelmäßige Vor- und Zurückspringen der gleichförmigen Betonformate und deren geschossweisen Versatz in der Fassade aus, analog eines Mauerwerksverbands. Durch die formale Betonung der Gliederung ist sie gleichermaßen Konstruktion und Bekleidung. Rhythmisch gesetzte Fenster fügen sich in das Rastermaß ein.
Die formale Strenge, die Konzentration auf ausgewählte räumliche Elemente und die Reduktion auf wenige unterschiedliche Materialien schaffen auch innerhalb des engen Kostenrahmens eine räumliche Qualität und Wertigkeit, von der alle Nutzer gleichermaßen profitieren. Der überhohe, eingezogene Eingangsbereich vermittelt schon beim Ankommen eine räumliche Großzügigkeit. Roh belassener Beton, grünliche Terrazzofliesen und das weiß lackierte Geländer setzen im Treppenhaus den atmosphärischen Rahmen zwischen leichter Eleganz und robuster Härte.
In den Wohnungen sorgen große, bodentiefe Öffnungen in allen Räumen für eine helle, freundliche Stimmung und holen den üppigen alten Baumbestand im Norden ins Innere. Tiefe Balkone orientieren sich zum Neckar und erweitern die Wohnungen jeweils um einen vollwertigen Freiraum. Das leichte, gewellte, weiße Kleid der Brüstungen schafft durch die feine Lochung des Blechs Privatsphäre und Ausblick gleichermaßen.
Lediglich die Dachterrassen bleiben den Bewohnern der obersten Etage vorbehalten. Ansonsten weicht die übliche Hierarchisierung von der unattraktiven Straßenwohnung bis zum Luxuspenthouse einem anspruchsvollen, egalitären Gestaltungsprinzip, um dem Wohnen für Alle einen angemessenen architektonisch Rahmen zu geben, der ein echtes Miteinander der unterschiedlichsten Bewohnergruppen entstehen lässt.
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