Wiederaufbau Produktion und Verwaltung Pfalzgraf Konditorei GmbH

Pfalzgrafenweiler, Germany
© Steffen Schrägle
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© Architare
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Architects
SCHMELZLE+PARTNER
Localització
Zeißstraße 6, 72285 Pfalzgrafenweiler, Germany
Any
2017
Statik
Bugenings Eisenbeis GmbH & Co. KG, Freudenstadt, www.bugenings.de
HLS-Planung
Ingenieurbüro Isenmann, Haslach, www.ib-isenmann.de
Stahlbau
Bühler GmbH & Co. KG, Altensteig, www.buehler-stahlbau.de
Metall & Verglasung
Lacker AG, Waldachtal, www.lacker.de
Fassade
Oppenländer GmbH, Ammerbuch, www.oppenlaender-gmbh.de
Rohbau
NÜBEL-BAU GmbH, Pfalzgrafenweiler, www.nuebel-bau.de

Pfalzgraf als traditionsreiches Familienunternehmen mit über 50-jähriger Geschichte zählt heute zu den führenden Herstellern von Tiefkühlbackwaren auf dem europäischen Markt und ist Marktführer im Bereich Food Service. In einem der modernsten Werke Europas werden von Pfalzgraf Produkte in Handwerksqualität für Großverbraucher wie Restaurants, Bäckereien, Systemgastronomie, Airlines und Schiffe sowie für Coffeehouse-Ketten hergestellt.

Im Jahr 2007 wurde ein Masterplan, der unter Einbeziehung des Bestandes einen logischen und konsequenten Produktionsfluss über alle Bauabschnitte hinweg ermöglicht, für den Standort entwickelt. Erste Planungen wurden im neuen Gewerbegebiet Pfalzgrafenweilers entwickelt – ca. 500 m vom bestehenden Betrieb entfernt. Nur eine Bebauungsplanänderung, angepasst an die Belange der Firma Pfalzgraf, ermöglichte die direkte Erweiterung am derzeitigen Standort. Der Grundstein für eine langfristige Perspektive mit den entsprechenden Erweiterungs- und Entwicklungsmöglichkeiten wurde gelegt.

2009 entstand die neue Produktion mit unverwechselbarem, architektonischem Wiedererkennungswert. Nach einer verheerenden Brandkatastrophe am 23. Mai 2015, bei der sowohl der neue Bauabschnitt 2 sowie die Produktion aus dem Jahr 2009 komplett zerstört wurden, war alles in der Vergangenheit erreichte über Nacht Geschichte. Trotz größter Bemühungen der rund 350 Feuerwehrkräfte und sieben Stunden Kampf gegen die Flammen, bei dem sogar das nahe gelegene Freibad leergepumpt wurde, waren mehr als 20.000 m² Produktionsfläche nicht mehr zu retten.

Was blieb, war der exzellente Ruf des Unternehmens und seiner Produkte – und ein einigermaßen intakter Verwaltungstrakt. Pfalzgraf würde nur bestehen bleiben können, wenn die Marktstellung des Unternehmens durch zeitlich garantierte Wiederaufnahme der Produktion gesichert werden konnte. Die nach normalen Maßstäben kalkulierte Bauzeit von ursprünglich 25 Monaten für Abbruch und Wiederaufbau hätte das Ende des Unternehmens besiegelt. Ein Totalabbruch schied als Option daher aus und für die Sanierung musste ein beispielhaft eng verzahnter Sanierungsplan mit gleichzeitiger Abwicklung der Aufgaben von insgesamt 30 Partnern erarbeitet werden.

Dem Wiederaufbau gingen ein Monat Orientierungsphase und drei Monate Rückbau mit paralleler Schadensanalyse und Sanierungsplanung voraus. Untersuchungen bezüglich Betonfestigkeit, Chloridgehalt und Stahl in gesunder und betroffener Substanz gaben Auskunft über die notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Um die Bauzeit weiter zu verkürzen, wurde beschlossen, den Stahlbeton abschnittsweise zu untersuchen, um die jeweils zeitlich schnellste Sanierungsvariante wählen zu können. Nach Abräumen und Demontage nicht zu rettender Abschnitte legten Hochdruckwasserstrahler mit mehr als 2.500 bar den Baustahl frei, anschließend erfolgte die Wiederherstellung mit Spritzbeton. Dadurch konnte die voraussichtliche Bauzeit zusätzlich verringert werden.

Alle Optimierungen zusammen stellten eine Bauzeit von nur 11 Monaten in Aussicht. Dies war eine der wesentlichen Voraussetzung für die unternehmerische Entscheidung der Eigentümerfamilie, die Firma Pfalzgraf wieder aufzubauen. Der Produktionsbetrieb konnte am Ende sogar bereits nach 9 Monaten wieder aufgenommen werden: Die Ämter führten ein beispielhaft schnelles Genehmigungsverfahren durch und es wurde praktisch rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche im Drei-Schicht-Betrieb saniert und wiederaufgebaut. Seit dem 4. Juli 2016 werden in einem der modernsten Werke Europas wieder Kuchen und Torten produziert. Ein Jahr später wurde das Verwaltungsgebäude fertiggestellt.

Beide neuen Komplexe – sowohl die Produktion als auch die Verwaltung – nehmen die Stilelemente des Bestands auf und entwickeln die Architektursprache konsequent weiter. Die reinweiße Alucobondfassade signalisiert den hohen Hygienestandard des Unternehmens und erinnert in ihrer Form an den konvexen Rand einer guten, handgemachten Torte.

Produktion
In einem separaten Geschoss über der Produktion befindet sich das Technikplenum, von dem aus alle technischen Vorrichtungen wie Strom, Sprinkler, Wasserversorgung, Lüftung und Leitungen in die darunterliegenden Produktionsbereiche geführt werden. Das ermöglicht einen hygienisch einwandfreien Produktionsbereich und insbesondere das einfache und wirkungsvolle Nassreinigen, da alle Leitungen aus der Decke kommen. Betonkernaktivierung unterstützt das Abtrocknen nach den täglichen Reinigungsdurchläufen. Diese vertikale Zonierung „rein“ / „unrein“ setzt sich horizontal zwischen Anlieferung der Rohwaren, Produktion und Logistik fort. Dank des Technikplenums sind Wartungsarbeiten und Nachinstallationen völlig unabhängig von der Produktion möglich.

Bei der Fertigung ist viel Handarbeit im Spiel. Die lineare Produktion ist modular aufgebaut – mit Füllanlagen, Konfektionierinseln, Netzbandöfen, Abkühlbändern, Schneidrobotern und Verpackungsstationen. Die Wasserversorgung für die Kühlung erfolgt über eine eigene Brunnenbohrung, die komplette Wasserentsorgung über ein Abwassermischbecken: Hier wird das Abwasser zwischengespeichert, bis die Gemeinde es zum Neutralisieren des städtischen Abwassers benötigt.

Verwaltung
Die großzügige, überdachte Verglasung an der Nordfassade wirkt schon von Weitem einladend auf den Besucher und lässt einen vollständigen Blick auf den Eingangsbereich der Verwaltung zu. Der Empfangsbereich im zweigeschossigen Foyer beinhaltet zwei vollwertige Arbeitsplätze und einen Backoffice-Bereich. Der Besucher wird von der geschindelten Eichenwand, welche durch Ihre Materialität und Herstellung auch die Heimatverbundenheit zum Schwarzwald und die Handwerkskunst des Kuchenbackens der Firma Pfalzgraf widerspiegelt, in Empfang genommen. Durch gerahmte Infotafeln, die kubusartig aus der Museumswand herausschauen, erhält der Besucher einen Überblick über die 50-jährige Geschichte der Firma Pfalzgraf. Ein von der Hitze verbogener Stahlträger an der Wand im Foyer mahnt und erinnert zugleich an die große Brandkatastrophe vom 23. Mai 2015.

Die Verwaltung wurde an den bestehenden Komplex angebaut, wodurch eine direkte Verbindung zur Produktion geschaffen wurde. Das großflächig verglaste Bürogebäude schafft es durch ein ausgeklügeltes Energiekonzept, das eine mechanische Be- und Entlüftung sowie Heiz- bzw. Kühldecken beinhaltet, selbst bei heißen Sommertagen behagliche Raumtemperaturen zu schaffen. Hierfür wird in den Sommermonaten die Kälte und während der Heizperiode die Abwärme aus der Produktion genutzt.

Sowohl im Großraumbüro im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss sind Leuchten, Sprinkler und Lüftung in leicht revisionierbare Holzdecken mit akustischer Wirkung integriert. Die geschlossenen und mit Akustikputz überzogenen Bereiche sind mit einem integrierten Heiz- und Kühlsystem ausgestattet. Die Elektrifizierung erfolgt über einen flexiblen Trockenhohlboden. Im Obergeschoss schaffen Ganzglastrennwände mit Eichentüren eine offene Atmosphäre in Abteilungen, diskrete Bereiche werden bei Bedarf durch akustisch wirksame Vorhänge geschaffen. Die bodenhohe Verglasung im Obergeschoss ermöglicht einen Blick ins Grüne.

Beide Geschosse bieten neben herkömmlichen Arbeitsplätzen auch flexible Kommunikations- und Rückzugsbereiche und Druckerinseln zur Bewegungsförderung. Das architektonische Innenraumkonzept bedient sich am gesamten Farbspektrum der Pfalzgraf CI-Farben.

Als Kontrast zur Produktion, wo vieles auch im wörtlichen Sinne sehr kühl gehalten wurde, wurde bereits im 1. Bauabschnitt im Untergeschoss eine Kantine mit einem hohen „Wohlfühl-Potenzial“ geschaffen: eine Kombination aus Lounge und Restaurant. Durch eine vollverglaste Fassade wird die Kantine zudem mit dem gestalteten Außenbereich optisch verbunden. Um eine gute Akustik in den stark frequentierten und offen gestalteten Räumen zu gewährleisten, wurde die Decke mit einer Lamellenkonstruktion aus Nussbaumstäben und einem darüber liegenden, akustisch wirksamen Vlies versehen. Diese Lamellenkonstruktion erfüllt nicht nur die Ansprüche an die Akustik, sondern gibt dem Raum auch eine besondere Atmosphäre. Ein besonderes Highlight der Kantine bildet der Fußboden: Hier wurde die orangefarbene Beschichtung durch eine Künstlerin mit Designs von verschiedenen Kuchenstücken gestaltet, die „floorart“ wurde direkt in den Boden gegossen. Die Kantine blieb von Brand größtenteils verschont.

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