Hotel am Blauen Turm
Tübingen, Deutschland
- Architekten
- Aldinger Architekten
- Jahr
- 2016
- Bauherrschaft
- Hotel Tübingen Besitz GmbH Denkendorf
Auf dem so genannten Foyer-Gelände, dem Eingang zur Tübinger Kernstadt, war einst ein Kulturzentrum geplant. Der Bau konnte nicht fertiggestellt werden und bescherte der Stadt jahrzehntelang eine Bauruine an prominenter Stelle. 2012 dann die Pläne für ein Hotel: Den hierfür ausgeschriebenen internationalen Architekten-Investoren-Betreiber-Wettbewerb gewannen Aldinger Architekten mit ihrem Entwurf für ein zukunftsfähiges Solarhotel. Doch aus der schönen Idee sollte zunächst nichts werden, denn Investor und Betreiber erwiesen sich als nicht kompatibel und stoppten das Bauvorhaben. Die Suche nach einem neuen Bauherrn begann.
2014 starteten Aldinger Architekten mit den Planungen zum Hotelgebäude, wie es sich seit Mai 2016 an der Blauen Brücke präsentiert: Es ist das sechste Ibis Styles Hotel der Stuttgarter Success Group. Die als Barcode-Fassade mit hohem Glasanteil vorgesehene Gebäudehaut wurde zunächst zu einer regelmäßigen, hochwertigen Klinkerfassade umgearbeitet. Deren heller Backstein erinnert an die in Tübingen vorherrschenden Sandsteinfassaden und stellt am Tor zur Stadt den Bezug zur traditionellen Bebauung her. Leider sprachen gegen diesen Vorschlag finanzielle Gründe, weshalb die Architekten in einem weiteren Optimierungsprozess eine differenziert bearbeitete Putzfassade entwarfen, mit der die Balance zwischen Kosten- und Gestaltungsfragen gelang.
Das Gebäude zeigt „funktionierende Alltagsarchitektur„ und setzt mit seiner geometrisch skulpturalen Ausprägung städtebauliche Akzente im Straßenraum. Es hätte ein noch dominanteres architektonisches Statement setzen können, doch nach dem jahrelangen Verhandeln lag der Fokus darauf, ein funktionales Gebäude im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu entwickeln und für dessen termingerechte und kostenstabile Umsetzung zu sorgen. So konnte ein gutes Stück solider, zeitloser Architektur realisiert werden, das mit seiner nachhaltigen Konzeption auch noch nach Jahrzehnten gefällt.
Trotz seiner acht Geschosse und einer mittleren Bauhöhe von rund 21 Metern trägt das neue Hotel nicht dick auf. Es wirkt gegenüber dem Blauen Turm in seinen Dimensionen angemessen und begegnet ihm gleichberechtigt. Zusammen bilden sie das neue Tor zur Stadt. Geschmeidig folgt der Neubau dem Straßenverlauf mit einem charakteristischen Fassadenknick und nimmt damit der Gebäudelänge von fast 50 Metern ihre Macht. Mit dem abgestaffelten Dachgeschoss lässt das Bauwerk die Gleisanlagen des nahen Hauptbahnhofs im Rücken und wendet sein „Gesicht„ der Stadt zu.
Die Lochfassade bildet die innere Hotelorganisation mit ihren 126 Zimmern nach außen ab. Sie wurde mit einer WDV-Fassade versehen und mineralisch verputzt. Mit Sockel, Etagen und Dachgeschoss zeigt sie eine klassische Gliederung, traditionelle Putztechniken geben der Fläche Qualität. So wurde das Erdgeschoss mit einem dunkelgrauen Kammzug versehen, dessen Licht- und Schattenspiel die Fläche belebt. Abgesetzt durch ein Gesims erhielten die darüber liegenden Etagen eine feinere Putzstruktur in einem hellen Farbton, der an den Sandsteinton des Klinkers des Vorgängerentwurfs erinnert. Faschen in weißer glatter Putzstruktur vergrößern optisch die Fensteröffnungen und geben ihnen eine prägnante Gestalt. Die Sonnenschutzverglasung macht außenliegende Stores überflüssig, sodass nichts die äußere Ruhe und Gleichmäßigkeit der Fassade stört.
Der Eingang in die Lobby liegt an der Friedrichstraße – dort, wo der Fassadenknick Raum auf dem Gehweg für einen kleinen Empfangsplatz schafft. Auf der Schmalseite des Gebäudes zur Steinlach hin ist erhöht eine Terrasse für das in die Lobby integrierte Restaurant angeordnet. Hier wird nach Fertigstellung zweier weiterer Gebäude auf dem Grundstück ein begrünter städtischer Platz entstehen.
Während das Gebäude als vor Ort betonierter Stahlbetonbau ausgeführt und zugunsten eines schnelleren Bauablaufs teilweise mit Stahlbetonfertigteilen sowie vorgefertigten Sanitärraumzellen ergänzt wurde, ist der Innenausbau nahezu komplett in Leichtbauweise, den strengen Schallschutzanforderungen angepasst, realisiert. Was das Interiordesign und die Materialwahl im Innenraum betrifft, hatten die Architekten wenig Mitspracherecht. Als Teil einer internationalen Hotelkette folgte das Gestaltungskonzept den Vorgaben des vom Konzern bindend vorgeschriebenen Materialkatalogs und wurde direkt vom Betreiber und seinen internen Planungsabteilungen umgesetzt.
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