Forum St. Stephan
Karlsruhe, Germany
- Architects
- baurmann.dürr architekten
- Location
- Ständehausstraße 4, 76133 Karlsruhe, Germany
- Year
- 2023
- Client
- Katholische Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe
- Team
- H. Baurmann, M. Dürr, D. Lahr, C. Süßmann, M. Dürrwächter
- Modellbau
- W. Eichenlaub
- Visualisierung
- loomn architekturkommunikation
Bei dem Wunsch der katholischen Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe nach einem
Forum St. Stephan geht es der Gemeinde um mehr Offenheit und Transparenz, um mehr Gemeinsamkeit und Dialog und um mehr Sichtbarkeit in der Stadt. Neben dem liturgischen Angebot in der Kirche St. Stephan sollen auch die
darüberhinausgehenden Angebote der Gemeinde, wie Gemeindearbeit, Beratung,
Seminare und Veranstaltungen, mit den neuen Bauten in den Blick gerückt werden.
Dabei sehen wir die Kirche St. Stephan mit dem ikonischen Zentralbau weiterhin als Zentrum des Forums. Sie soll in alle Himmelsrichtungen in den Stadtraum „strahlen" und von allen Seiten zugänglich sein. Das ist die Grundidee eines Zentralbaus. Diese Ausstrahlung wird aber auf der Ostseite durch die Stellung des dreigeschossigen Pfarrhauses verhindert und die Zugänglichkeit durch den Pfarrgarten eingeschränkt, genau auf der Seite, auf der sich die Gemeinde präsentiert. Der mit einer Hecke eingefriedete Pfarrgarten entlang der Ritterstraße hält die Besucher auf Distanz und verhindert das Betreten des Kirchplatzes. Das dahinter liegende Ostportal von St. Stephan verliert seine Strahlkraft in den öffentlichen Raum. Der Zugang von der Ritterstraße wird sogar durch eine Schranke genau in der Achse des Portals verwehrt. Ähnliches passiert in der Ständehausstraße. Das Kirchenportal verschwindet vollständig hinter dem Pfarrhaus. Durch seine Längsstellung entsteht ein Straßenraum, in dessen Folge der „Platz" mit dem Marienbrunnen zur Straßenaufweitung verkommt. Das Volumen der Kirche gerät aus dem Blick und wird zur Fassade.
Für diesen Entwurf haben wir den Arbeitstitel Raum für Sichtbarkeit gewählt, um den oben beschriebenen Problemen zu begegnen. Zum einen sind wir der Überzeugung, dass mehr öffentlicher Raum und weniger Gebautes das Wesentliche sichtbar macht die Kirche St. Stephan. Zum anderen entsteht durch das Mehr an öffentlichem Stadtraum vor der Kirche Platz für Neues. Dieser Platz wird mit einem Raum für Sichtbarkeit besetzt, einem Möglichkeitsraum mit leichter transparenter Hülle, geborgen unter einem schweren Dach, das sich wie eine schützende Hand
darüberlegt. Dieser Möglichkeitsraum steht auf dem Platz der Kirche, liegt auf dem
Weg zur Kirche, einladend, offen, transparent ohne determinierte Nutzung, die ablenkt oder fordert, etwas erledigen zu müssen.
Die bewusste Auslagerung von allen anderen Nutzungen in das Veranstaltungs- und Verwaltungsgebäude, sehen wir als Chance, das Angebot des katholischen Glaubens im öffentlichen Raum durch diesen transparenten Möglichkeitsraum direkt vor der Kirche St. Stephan sichtbarer zu machen.
Dieses Veranstaltungs- und Verwaltungsgebäude fügt sich im Hintergrund in
klassizistischer Anmutung in die Platzfassade ein. Es wird aber durch die
sandsteinrote Farbgebung und die bogenförmigen Arkaden, die ihre Analogie in den Bogenfenstern über den Portalen finden, klar der Kirche zugeordnet. Durch den Wegfall der in den Straßenraum ragenden Erker entsteht auch hier ein Zugewinn an Raum. Der über Eck offene Arkadenbogen markiert den Eingang, weitet den Raum bis unter die Arkaden und lässt den Kirchplatz bis zum Marienbrunnen wirken.
Bleibt allein der Pfarrgarten übrig, um alle Nutzungen neu geordnet zu haben. Diesem sehen wir an alter Stelle, jedoch etwas kleiner und einladender gestaltet. Er soll weiterhin als Garten ablesbar bleiben, gerahmt von Sitzgelegenheiten, die beidseitig nutzbar sind. Wichtig ist, dass der Garten als ein Element im Platzraum der Kirche wahrgenommen wird, das benutzt werden kann. Entlang der Erbprinzenstraße muss der Garten aber weichen und der Platz breiter werden, um sich vom Friedrichplatz kommend dem Hauptportal auch in der Diagonalen nähern zu können.
Das Konzept für die Außenanlagen mit Belägen, Zonierungen und eingestellten
Elementen übernehmen wir von der Westseite des Kirchplatzes. Wir schaffen dadurch einen klaren einheitlichen Außenraum um die Kirche. Er nimmt die drei Richtungen des Kirchenbaus auf und wirkt damit in den Stadtraum.
So entsteht auf der Ostseite der Kirche mit dem Abriss des alten Pfarrhauses und der Neuordnung der Nutzungen wie von selbst das Forum St. Stephan der katholischen Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe.
Um im Sinne der Schöpfung zu agieren und ressourcenschonend zu bauen, schlagen wir vor, bei diesem Bauvorhaben die sogenannte „Urban-Mining-Bauweise" anzuwenden. Dabei wird aus dem Rückbau des Bestands das mineralische Abbruchmaterial wie Beton, Ziegel- und Mauerwerk zu verschiedenen
Gesteinskörnungen rezykliert, um sie für Tragschichtmaterial und Material zur
Herstellung von R-Beton beim Neubau wiederzuverwenden.
Das Verwaltungsgebäude soll in Holzhybridbauweise konstruiert werden, wobei bei
allen Betonelementen der aus dem Abbruch gewonnene R-Beton verwendet wird.
Stützen und Deckenelemente werden vorfabriziert. Dabei bestehen die wesentlichen tragenden Teile aus Holz, die entsprechend der baurechtlichen Vorschriften hochfeuerhemmend ausgebildet werden. Die Spannweiten der Decken liegen bei für Holz wirtschaftlichen 7 m. Aufgrund der Schwingungen, des Schallschutzes und zur thermischen Nutzung der Gebäudemasse sind vorfabrizierte Holz-Beton-
Verbunddecken vorgesehen. Die Erschließungskerne werden zur Aussteifung aus
Stahlbeton erstellt. Die Fassade zum Platz wird aus Wärmedämmbeton erstellt. Die rötliche Färbung entsteht durch die Beimischung von recycelten Ziegelmehl. Die Oberfläche des Betons wird so bearbeitet, dass die Sockelzone und die Leibungen glatt bleiben. Die restlichen Flächen werden gestockt. So ergibt sich eine klassische Gliederung der Fassade mit werkgerechten Mitteln. Die Holzfassade zum südlichen Herrenhof wird mit wildem Wein begrünt, der im Herbst eine rote Färbung annimmt.
Auch der Möglichkeitsraum wird in Holzhybridbauweise konstruiert. Dabei wird ein
Holzrost an die tragende, außenliegende Betonkonstruktion gehängt, der den Raum frei überspannt. Das Dach wird begrünt.
Für die Wärme– und Kälteerzeugung kann Fernwärme genutzt werden, unterstützt
durch Photovoltaikmodule auf dem Dach. Die Warmwasseraufbereitung in den WC-Einheiten
erfolgt dezentral mit Durchlauferhitzern. Eine mechanische Lüftung mit
Wärmerückgewinnung und Heiz-Kühldecken sorgen in allen Jahreszeiten für ein
angenehmes Raumklima. Zur Installationsführung von Elektroleitungen wird das
Deckensystem mit einem Hohlraumboden ergänzt. Die Lüftungsleitungen und Heiz- und Kühlleitungen werden in der Konstruktionsebene geführt, die Heiz- und
Kühldeckenelemente mit Akustikwirkung dazwischen gehängt.
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