Quartiersentwicklung St. Johannes Maria Vianney
回到项目列表- 位置
- Steinbuttstraße, 70378 Stuttgart, 德国
- 年份
- 2023
Ein Kirchenneubau ist ein eher seltenes Ereignis geworden. Im Stuttgarter Stadtteil Mönchfeld ist im Sommer 2023 eine neue katholische Kirche geweiht worden. Sie ersetzt einen Bau aus den 1960er-Jahren, der für die heutigen Bedürfnisse der Kirchengemeinde deutlich zu groß geworden und zudem stark sanierungsbedürftig war. Dank der Neuordnung des gesamten Areals rund um die neue Kirche entstand ein architektonisch hochwertig gestaltetes Quartier, das dem gesamten Stadtteil eine neue Identität verleiht. Die Architektur des Kirchenneubaus, der weiteren Neubebauung als auch das städtebauliche Konzept stammen von uns.
Stuttgart-Mönchfeld liegt im Norden der baden-württembergischen Landeshauptstadt, auf einem Hügel mit weitem Blick über Weinberge und den Neckar im Tal. Die Siedlung wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren vor allem für den sozialen Wohnungsbau errichtet. Auch die katholische Kirche St. Johannes-Maria-Vianney mit Gemeindehaus inklusive Wohnungen und Kindertagesstätte mit Pfarrhaus stammten aus dieser Zeit. Über die Jahrzehnte hatte sich bei den Gemeindegebäuden jedoch ein erheblicher Investitionsstau gebildet und der Bestand entsprach nicht mehr den tatsächlichen Anforderungen. Zudem kämpft die Gesamtkirchengemeinde „Stuttgarter Madonna“, zu der u.a. auch St. Johannes-Maria-Vianney gehört, wie viele Kirchengemeinden mit der demographischen und religiösen Entwicklung der Gesellschaft. Diese geht einher mit einem Mitgliederverlust bei gleichzeitigem Wunsch nach mehr sozialem Engagement, wie bei der Kinderbetreuung oder bei der Pflege. So war zum einen der Kirchenbau mit über 400 Plätzen für die heutige Gemeinde viel zu groß, zum anderen erfüllte der Bestandskindergarten den stetig wachsenden Bedarf an Betreuungsplätzen bei weitem nicht mehr.
Kirchenprozess „Aufbrechen“
Bereits 2011 stieß die Katholische Kirche Stuttgart den pastoralen Entwicklungsprozess „Aufbrechen – Katholische Kirche in Stuttgart“ an, mit dem Ziel für die Zukunft gut aufgestellt zu sein. In vielen Gemeinden wurden daraufhin Gebäude reduziert und nach anderen Nutzungs- und Kooperationsmodellen gesucht. Bei St. Johannes-Maria-Vianney entschied man sich die bestehende Kirche und die Gemeindegebäude durch Neubauten zu ersetzen – lediglich der vom Kirchengebäude abgerückte Glockenturm blieb als identitätsstiftendes Bauwerk stehen. Die neue, viel intimere Kirche ist mit ihren 110 Plätzen an das aktuelle Gemeindeleben angepasst.
Auf den freigewordenen Flächen konnten zudem drei schlanke, mehrgeschossige Wohntürme entstehen, in denen sich nun die viel größere Kindertagesstätte mit vier Gruppen, 64 seniorengerechte und größtenteils barrierefreie Wohnungen sowie eine Caritas Station inklusive Stützpunkt für den ambulanten Pflegedienst befinden.
Eine neue Kirche entsteht
Für die Architektur des Kirchenneubaus, der Wohnbebauung als auch der Quartiersgestaltung konnten wir uns 2017 in einem Wettbewerb mit dem 1. Platz behaupten. Im Jahr 2020 startete schließlich nach den Abrissarbeiten die Neubebauung nach unseren Plänen. Herz des neuen durchgrünten und autofreien Areals ist ein neugestalteter Quartiersplatz, um den sich die Kirche und die anderen Neubauten gruppieren. Den kubischen, zweigeschossigen Kirchenneubau mit seinem eingeschossigen Anbau mit pastoralem Büro, Gemeinderäumen und -saal haben wir mit einer dunklen Klinkerfassade verkleidet. Er unterstreicht mit seiner Farbgebung seine besondere Stellung im Quartiersgefüge. Eine vorgelagerte Pergola aus Sichtbeton und Klinkerstützen fasst den Kirchenvorplatz. Das Sichtbetonband setzt sich gestalterisch als Attika am Anbau fort und teilt den Kirchenkubus genau in der Mitte.
In die Süd-Westfassade ist ein Kreuz aus Glas eingeschnitten, dessen horizontale Linie das Sichtbetonband an dieser Stelle ersetzt. Dieses „Fensterkreuz“ zeichnet im Innenraum zugleich das leuchtende Altarkreuz. Den Innenraum gestalteten wir hell, mit weißem Rauputz an den Wänden und einer weiß lasierten, zum Altar hin abgetreppten Holzdecke. Lediglich der Fußboden aus dunklem Hirnholzparkett setzt einen deutlichen Kontrast. Eine sehr bewusst gestaltete Tageslichtführung, mit seitlichen Dachoberlichtern, einem Oberlicht direkt über dem Altar und dem Fensterkreuz, unterstützen den sakralen Charakter der neuen Kirche.
Spuren der alten Kirche
Auch die liturgischen Orte in der Kirche, wie Altar, Ambo, Taufstein, Tabernakel, Kredenz, Ewiges Licht und Marienaltar haben wir gestaltet. Zum ersten Mal in der Geschichte der Diözese Rottenburg-Stuttgart konnte der dafür ausgelobte Kunstwettbewerb von Architekten gewonnen werden. Die Transformation von alt zu neu war eines unserer Kernthemen für den Architekten- als auch den Kunstwettbewerb. Und so fassen bei den liturgischen Orten Zunderstahlplatten geschichtete Hölzer, die aus den alten Kirchenbänken des Vorgängerbaus gewonnen wurden. In der neuen Kirche finden sich weitere Spuren der alten. Die Marienstatue und das Kruzifix wurden übernommen und in den neuen Kirchensaal integriert. Die Orgel wurde hingegen gebraucht von einer bayrischen Kirchengemeinde erworben und für St. Johannes-Maria-Vianney angepasst.
In der Kirche konnten wir zudem ein ganz besonderes Detail umsetzen: Der Grundstein befindet sich unter einem gläsernen Boden im Foyer. Die beleuchtete Bodenvitrine beinhaltet Teile des Grundsteins der alten Kirche, eine Kirche aus Legosteinen, ein Stuttgarter Rößle, Münzen, sowie eine Tageszeitung vom Tag der Grundsteinlegung.
Attraktive Wohnbebauung
Die drei Wohntürme mit Kita und Sozialstation ließen wir mit einer Klinkerriemchenfassade mit Putzbändern errichten. Alle 64 Wohnungen sind mit Fußbodenheizung und barrierefreien Bädern ausgestattet. Einige der seniorengerechten Einheiten sind zudem rollstuhlgerecht ausgeführt. Bauherr für die Wohntürme und die Kita war die Caritas Stiftung Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Grötzinger Stiftung. Das Wohnkonzept ermöglicht den Seniorinnen und Senioren möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen.
Die Häuser öffnen sich in Richtung Neckartal und sind als durchlässige Bausteine geplant. In der Mitte liegt der neue Quartiersplatz. Die Wohnungen in den obersten Stockwerken bieten zudem einen famosen Weitblick über die Weinberge, den Max-Eyth-See und das Neckartal.